DIE VORBILDWIRKUNG IM WANDEL WIRD UNTERSCHÄTZT

Wen würden Sie als Vorbild bezeichnen? Oft eine Frage, welche nicht spontan beantwortet werden kann. Ich fragte Suri, die fünfjährige Tochter einer Freundin von mir und bekam prompt eine Antwort: so mutig und stark wie Pippi Langstrumpf! So schön und weise wie Elsa – die Eiskönigin! So gut Klavierspielen wie Mama und so alt werden wie Opa. Suri weiß genau, welche
Fixsterne ihr Orientierung bieten können und dürfen. Währenddessen frage ich in den Unternehmen und treffe auf ratlose Gesichter. „Ein Vorbild? Nein, habe ich nicht so wirklich.“ Nachdenken, Zögern, Kopfschütteln.

Die Frage, welche ich mir in diesem Zusammenhang stelle: haben wir etwa das Vorbildhaben verlernt? Brauchen wir ein besseres Orientierungsmanagement?
Verfolgt man die Publikationen der vergangenen Jahre so kommt immer wieder die These auf, sich an Vorbildern zu orientieren. Warum eigentlich? Im Gedankenaustausch mit einer Geschäftspartnerin komme ich zu der Erkenntnis: „Im Moment hat alles eine Chance, was Orientierung gibt. Wir leben in einer Zeit, wo Komplexität nicht mehr von uns beherrschbar ist, wo
Dynamik uns überfordert und wir vielen rasanten Entwicklungen kaum noch folgen können. Dies könnte dazu führen, dass in solchen Zeiten Vorbilder – die es eigentlich die ganze Zeit gibt – wieder bewusster werden.“

VORBILD – LERNEN AM MODELL

Ein Vorbild ist jemand, der eine Fähigkeit oder Haltung hat, der man nacheifert, dem man nach dem Prinzip „Lernen am Modell“ folgen kann. Während Kinder sich in der Regel ganz selbstverständlich an den Eltern oder Großeltern orientieren, reflektieren wir im Verlauf unserer Entwicklung stärker, was uns tatsächlich erstrebenswert erscheint. Vorbilder können zu Handlungen motivieren und zum „Folgen“ anregen.

Bei Vorbildern geht es meist um die Fähigkeiten – und um Haltungen, wie z.B. jemand kann tolle Konzepte ausarbeiten, Reden halten. Oder Mitarbeiter begeistern. Empathisch sein und trotzdem bei sich bleiben. Andere großzügig einladen und resilient sein. Das ist für viele ein Vorbild.

VORBILDER GESUCHT

Und diese Vorbilder werden in vielen Unternehmen im Kontext des aktuellen Wandels gesucht und sogar gefordert. Die derzeit in vielen Unternehmen angestrebte Transformation ist nach meiner Erfahrung nicht wirksam, wenn sie nicht von der Spitze der Organisation, aber auch von der Spitze größerer Organisationseinheiten im Unternehmen gewollt, gelebt und überzeugend unterstützt wird. Solange es in den Unternehmen eine formale Macht gibt und die gibt es in den meisten Unternehmen durch Vorstand, Geschäftsführung, Unit-Leiter, solange muss sich von diesen Personen ein klares Commitment für die Transformation zeigen. Mitarbeiter wünschen sich von diesen Personen, dass sie als Vorbild für den Wandel fungieren. Sie fordern vielfach (auch wenn oft nur leise) ein, dass sie als Vorbild voranschreiten.

FÜNF PUNKTE DER VORBILDWIRKUNG IM WANDEL

Bei der Begleitung der Menschen in den Unternehmen, fallen mir dabei fünf Aspekte auf, welche ich für wesentlich halte:

  • Die Führung muss die Bedeutsamkeit der Transformation erkennen und spürbar wollen
  • Sie muss diese Notwendigkeit, aber auch die Bedeutsamkeit der Chance, welche sich daraus ergibt als eigenes (persönliches) Commitment zur Veränderung klar und unmissverständlich kontinuierlich kommunizieren
  • Sie muss sich Zeit nehmen, um das was gemacht werden muss und gemacht wird, selbst zu verstehen und zu durchdringen
  • Sie muss ihre eigene Denkweise reflektieren und für neue Denkweisen Platz machen
  • Sie muss mit gutem Beispiel – also als Vorbild – vorangehen und sich an die neuen Regeln der Veränderung halten

Gerade die letzten beiden Punkte scheitern oft daran, dass die Beteiligten sehr wenig Zeit haben, sich auch oft die Zeit nicht nehmen und dadurch relativ langsam neue Denk- und Verhaltensweisen erlernen. Immer wieder erkenne ich, dass die Führung schon und auch überzeugend Bereitschaft kommuniziert, sich selbst zu verändern, dann aber trotzdem wieder
neue Verhaltensweisen oder Denkansätze in Frage stellt. Eine mentale, kognitive Weiterentwicklung und die damit verbundene Verhaltensveränderung ist manchmal hartes Training an sich selbst und benötigt eigenen Willen und Kontinuität. Aus meiner Erfahrung heraus, kann ich aber mit viel Zuversicht berichten. Es kann gelingen und dann wird man auch als Vorbild
wahrgenommen.

VORBILD NICHT ZU EINSEITIG SEHEN

Ich möchte den Blick nun noch einmal auf die andere Seite lenken und nicht nur die Spitze der Organisationseinheit in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Ein Grund, warum auf die Frage nach Vorbildern oft langes Schweigen folgt, ist, dass nach der einen Person, dem ultimativen Komplettpaket aus Moral und Wille, gesucht wird, gegebenenfalls wollen wir dies im aktuellen
Wandel in dieser Einzigartigkeit von unserem Geschäftsführer, Unit-Leiter oder Führungskraft sehen.

Doch, wir müssen auch ehrlich mit uns selber sein. Wir werden niemanden finden, dem wir in jeder Facette nacheifern wollen. Schließlich will auch niemand von uns der Abklatsch eines anderen sein. Dies ist gegebenenfalls an der ein oder anderen Stelle zu hoch sterilisiert und lenkt von unserer eigenen Verantwortung ab.

Das eine Vorbild, als der perfekte empathische Mensch, der in allem reif und gestanden reagieren kann, wird es nie oder nur äußerst selten geben. Heutzutage sollten wir die Vielfalt nutzen und Vorbilder partiell verstehen, gegebenenfalls auf bestimmte (einzelne) Fähigkeiten oder bestimmte Haltungen, die wir wahrnehmen können und sehr schätzen. Martin Luther King ist für viele in seinem Engagement für Gerechtigkeit sicher ein Vorbild. Aber er war wahrscheinlich kein treuer Ehemann.

So vielfältig wie die Bereiche, in denen wir Vorbilder pflegen sollten, ist auch das Spektrum ihrer Funktionen: so können Vorbilder für uns auch als Mutmacher fungieren, als Inspirationsquelle oder auch als „Weiß“-Abgleich. Suchen wir uns also im Alltag ein Pool an Vorbildern, woraus wir in unterschiedlichster Form der Beobachtung wachsen können.

 

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