FÜHRUNGSKRÄFTE COACHING UND VORBILDWIRKUNG

Es ist ein grauer Herbsttag und trotzdem mache ich mich zu einem nasskalten Spaziergang in den Park auf, für meine aktive Mittagspause. Und wen treffe ich da? Roland. Roland ist Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens mit 250 Mitarbeiter. Wir freuen uns über das zufällige Treffen und bevor ich ihn fragen kann wie es ihm geht fragt er schon, ob er sich meinem Spaziergang anschließen darf, er müsse mir dringend etwas erzählen.

„Eva, du weißt doch, dass wir als Führungskräfte auf der ersten und zweiten Führungsebene seit einem halben Jahr an einem kontinuierlichen Coaching-Programm teilnehmen. Ziel war es ja, unsere Vorbildwirkung im Unternehmen zu erhöhen und damit natürlich auch eine Veränderung im Verhalten der Mitarbeiter zu bewirken, aber ganz ehrlich, ich kann nichts spüren“, berichtet Roland mit hochgezogenen Brauen. Ich schmunzele in mich hinein und denke, mal wieder ein Fall der noch nicht ganz zu Ende gedacht ist.

ERSTE MAßNAHMEN UND NÄCHSTE SCHRITTE

Ja, Roland will wirklich einen Wandel in seinem Unternehmen erzeugen und er hat mit dem Coaching-Programm in der obersten Führungsebene einen ersten wichtigen Schritt angestoßen. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Mindset ist die Basis für eine nachhaltige Weiterentwicklung im Unternehmen. Allerdings reicht dies allein für den Wandel nicht aus. Die Weiterentwicklung der Strukturen und der Kultur im Unternehmen müssen folgen. Erst dann ändert sich auch das Verhalten im Unternehmen insgesamt. Viel zu schnell hören wir mitten auf dem Weg des Wandels auf und erkennen oft nicht an, dass es ein längerer Weg ist als anfänglich gedacht. Zudem vergessen wir oft, dass sich aus der einen Maßnahme erst die nächsten Schritte ergeben müssen.

KEINER SPÜRT ETWAS

Ich freue mich sehr darüber, dass es doch einige Unternehmen gibt, die mittlerweile die Coaching Möglichkeit für ihre Führungskräfte in der Breite anbieten und einsetzen. Dies ist eine wichtige Basis für Wandel. Dabei würde ich sogar noch empfehlen, dass es für die erste und zweite Führungsebene bei einem wirklich ehrlich gemeinten Wandelprozess ein Pflichtprogramm seien müsste. Denn erst durch diese gelegte Basis wird nachhaltige Entwicklung ermöglicht. Und genau an diesem Punkt ist der feine Unterschied sehr wichtig: Wandel wird zwar durch das Coaching als Basis angestoßen, er hat aber zum Zeitpunkt der eigenen Auseinandersetzung noch nicht stattgefunden und ist dadurch von vielen auch noch nicht zu spüren.

Fragt man die Mitarbeiter im Unternehmen wird dies vielfach bestätigt. Auch sie fragen sich: „Warum passiert nichts, wo doch die Führungskräfte schon seit sechs Monaten in einem Coaching-Programm sind?“

EIGENWAHRNEHMUNG INS AUßEN TRAGE

Viele Führungskräfte setzen sich heute auf die ein oder andere Art mit Wandel, neuer Arbeitskultur und Komplexität auseinander. Auch verstehen viele, dass sie ihre eigenen Vorstellungen an der ein oder anderen Stelle wahrscheinlich wirklich überdenken müssen. Die eigene Wahrnehmung wird tatsächlich geschärft:

Allerding ergibt sich daraus oft noch kein verändertes Verhalten der Führungskraft. Was meist eher entsteht, ist eine höhere Anspruchshaltung gegenüber den Mitarbeitern. Nach dem Motto: „Also ich habe alles verstanden, was Komplexität ist, wie man neu denken muss, was meine Muster sind und welchen Herausforderungen wir uns heute und zukünftig zu stellen haben, aber warum sind denn meine Mitarbeiter nicht agiler und veränderungsbereiter?

Die eigene Persönlichkeitsentwicklung und Mindset-Auseinandersetzung ist ein Wahrnehmungs- und bestenfalls ein Erkenntnisprozess mit mir selbst, der aber meist noch nichts im Außen bewirkt oder dorthin transportiert werden muss. Der Coaching-Prozess an sich ist noch kein ausreichender Wandel-Prozess für das Unternehmen. Wandel zeigt sich erst, wenn er sich durch ein wandelförderliches Handeln und Verhalten im Unternehmen zeigt und wahrgenommen wird.

EINEN SCHRITT WEITER GEHEN

In einem weiteren Schritt ist nicht ein anderes Verhalten der Mitarbeiter zu erwarten, sondern ich muss mein unmittelbares Umfeld betrachten, welches ich als Führungskraft in den letzten Jahren erschaffen oder co-kreiert habe. Was wird durch meine eigene Führungskultur und die von mir befürworteten Strukturen im Unternehmen vielleicht verhindert, sodass Mitarbeiter bis heute noch nicht agiler und veränderungsbereiter sind?

Warum dieser Schritt so oft nicht fortgeführt wird? Weil er anstrengend ist. Immer wieder erlebe ich, dass ein Bewusstsein über Führungsalternativen fehlt oder die notwendige Veränderung in der eigenen Vorstellung als zu anstrengend, aufwendig und mühselig erscheint. Allerdings jetzt nicht weiterzugehen ist keine Alternative. Der Wandel wäre gestoppt!

 

KULTUR BEWUSST GESTALTEN

Ausschlaggebend nach einer eigenen Auseinandersetzung ist, wie ich daraufhin Kultur von mir aus gestalte. Wie lebe ich eine Führungskultur, die den Wandel fördert? Wie kommuniziere ich zukünftig im Haus, wie gestalte ich Beziehungen mit meinen Mitarbeitern und anderen Fachabteilungen, welche Möglichkeitsräume für Experimente eröffne und welche Umgangsformen im Miteinander etabliere ich? Es geht im nächsten Schritt darum, sich bewusst in der neuen Gestaltungsidentität auszuprobieren und spürbar etwas zu verändern.

Des Weiteren muss ich die etablierten Strukturen, Prozesse und Arbeitsweisen kritisch betrachten. Ich muss wahrnehmen, wo das System im Wandel widersprüchlich ist und dadurch gegebenenfalls gegeneinander arbeitet. Ich sollte den Mut haben, dies neu zu justieren oder weiterzuentwickeln.

Für einen nachhaltigen Wandel des Unternehmens ist ein gesamtheitlicher Blick hilfreich. Neben der persönlichen Entwicklung von Führung müssen auch die Struktur und die Kultur dahingehend weiterentwickelt werden, damit sich insgesamt eine neue Haltung und ein weiterentwickeltes Verhalten im Unternehmen etablieren kann. 

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