Was verändert denn nun die Kultur im Unternehmen? Sind es die Denkmuster? Oder soll ich neue Rahmenbedingungen und Strukturen schaffen, damit Mitarbeitende neue Erfahrungen sammeln können? Oder vielleicht beides? Vielleicht führe ich lieber neue Methoden und Tools ein?
Wie man Kultur im Unternehmen heute weiterentwickelt, wird vielfältig propagiert. Da kann man sich, wenn man jetzt einfach loslegen will, auch schnell mal verlaufen. Unternehmenskultur ist komplex, da sich ja nur ein Teil der Kultur wirklich für uns zeigt. Insgesamt ist ein großer Teil der kulturellen Aspekte nicht sichtbar für uns.
Jeden Monat widme ich mich einem kulturellen Schwerpunktthema. Für den April habe ich mir vorgenommen, dich mitzunehmen, wenn es darum geht, „Kultur immer mehr zu durchdringen.“
EINE NEUE BEREITSCHAFT DER WAHRNEHMUNG
Die kulturelle Entwicklung im Unternehmen hat sich mittlerweile zu einem Hype-Thema entwickelt, was sich irgendwie jedes Unternehmen auf Fahne geschrieben hat. Gleichzeitig bemerke ich aber, dass wir durch die breitere Auseinandersetzung sehr oberflächlich in der Wahrnehmung der Kultur werden. Wir wissen nicht, was wir aktuell überhaupt für eine Kultur haben.
Wir können sie auch nicht beschreiben, wir wissen noch nicht mal, wo und wie sie sich abbildet, aber wir laufen schon mal mit den neuen Methoden und Tools los.
Ich glaube, hier liegt ein großer Fehler. Um die eigene Unternehmenskultur weiterzuentwickeln, müssen wir erst einmal breiter und tiefer wahrnehmen können. Wir müssten Menschen sein, die Systeme in ihren Ausprägungen wahrnehmen können und dies auch wollen. Es müsste ein Interesse bei uns vorliegen, die sich zeigenden kulturellen Wechselspiele im Unternehmen zu beobachten. Wir müssten in einer solchen Intensität hinschauen, dass wir Muster erkennen können.
NICHT DAS VERHALTEN INFRAGE STELLEN – WOZU FRAGEN!
Wenn wir auf unsere Abteilung schauen, müssten wir nicht fragen: „Wann verhält sich Bernd nun endlich mal anders?“
Stattdessen müssten wir uns fragen: „Wozu verhält sich Bernd so, wie er sich verhält? Wozu dient es, dass die Reaktionszeit der Abteilung „Blau“ immer drei Tage zeitverzögert ist? Wozu dient es, dass alle in dem Meeting zwar ihr Expertenwissen auskippen, aber kaum einer einen fruchtbaren Dialog initiiert?“
Die Kultur im Unternehmen ist komplex und lässt sich nur durch solch eine tiefere Wahrnehmung wirklich erkennen.
Wir sollten die Kultur im Unternehmen systemisch erfassen, um dadurch viel gezielter zu wissen, wie und wo wir Rahmenbedingungen oder Strukturen verändern sollten, um neue Erfahrungen zu ermöglichen. Alles andere kratzt an der Oberfläche und ermöglicht keine nachhaltige kulturelle Veränderung.
SYSTEMISCHE WAHRNEHMUNGSKOMPETENZ AUSBAUEN
Viele würden jetzt sagen: „Also dann fangen wir als Erstes an, die Kultur systemisch wahrzunehmen, um dann festzulegen, welche Rahmenbedingungen oder neuen Strukturen wir schaffen wollen, um den Mitarbeitenden neue Erfahrungen zu ermöglichen.“ Allein dies ist eine ausreichend große Herausforderung.
Grundsätzlich würde ich dem Vorgehen auch zustimmen, aber die wenigsten verfügen heute über diese systemische Wahrnehmungskompetenz, da sie im Unternehmen gar nicht gefragt ist.
Diese Art der Wahrnehmung würde Sachverhalte und Probleme im Unternehmen ja nur aufbauschen, Unternehmen sind an schnellen, einfachen Lösungen interessiert. Was wir dadurch aber machen: Wir vermindern die Komplexität des Tatbestands und erreichen dadurch nie eine ausreichende Nachhaltigkeit.
MENSCHEN, DIE SELBST ANDERS DENKEN
Wir haben in vielerlei Hinsicht und damit auch in der Unternehmenskultur, dass Henne-Ei-Problem. Was muss zuerst kommen? Und vielleicht können wir dies tatsächlich nicht eindeutig bestimmen, da sich Kultur eben nicht kausal darstellen lässt.
Ich würde dies so lösen:
Als Erstes brauchen wir im Unternehmen Menschen, die ein großes Interesse und den Willen haben, sich persönlich weiterzuentwickeln. Wir brauchen Menschen, die sich ein komplexes Denken für sich selbst und damit auch für ihr Umfeld aneignen möchten, da sie spüren, dass das, was sie bisher nutzen, Grenzen hat. Wir brauchen Menschen, die sich mit anderen Dimensionen auseinandersetzen, die neugieriger sind und Zusammenhänge und ihr jeweiliges Wechselspiel erkennen. Wir brauchen Menschen, die eine Zuversicht in sich tragen, Andersartiges zu gestalten und zu kombinieren.
Du wirst sicherlich fragen: „Wo gibt es die denn?“
HIER GEHT ES NICHT UM VIELE
Nur wenige Menschen gehen heute den Schritt, sich und ihr Umfeld noch einmal in anderen Dimensionen, Zusammenhängen und Ausprägungen kennenzulernen. Es werden vielleicht auch heute noch nur wenige Menschen im Unternehmen sein, aber du kannst schon mal einer von denjenigen sein.
Zumindest die Menschen, die heute wirklich eine neue Arbeitskultur gestalten wollen, die mehr einem komplexen Umfeld entspricht, müssen Menschen sein, die an ihrer eigenen Haltungsreife arbeiten, um bei sich und anderen mehr wahrnehmen zu können.
Denn nur die werden es auch sein, die die Unternehmenskultur aufgrund der weiterentwickelten Sichtweise auch anders wahrnehmen können. Und auch nur die werden es sein, die solche Strukturen ermöglichen können, welche neue Erfahrungen hervorbringen. Sie sind diejenigen, die den Kern erkennen. Ich nenne sie die wahren Kulturreformer.
LEADER DER NEUEN ZEIT
Es wird erkennbar, dass sich im Kontext der Weiterentwicklung der Kultur die Veränderung der Denkweise versus die Schaffung von neuen Rahmenbedingungen und Strukturen den Rang ablaufen. Ich sage: Vielleicht.
Es ist allerdings meine Überzeugung, dass es für eine wirklich nachhaltige Weiterentwicklung der Unternehmenskultur nur folgende Schritte geben kann:
1. Es muss im Unternehmen Menschen geben, die sich persönlich weiterentwickeln, sich mit ihrer eigenen Komplexität auseinandersetzen, ihre Denkmuster einer komplexen Welt anpassen und ihre Haltungsreifen bewusst weiterentwickeln. Denn nur diese Menschen werden auch ihr Umfeld tiefer und ganzheitlicher verstehen können und weiterentwickeln.
Ich gebe eine Methode an mein Umfeld an, obwohl ich selbst nur ein Wochenendseminar über Methoden der neuen Arbeitskultur besucht habe. Dies ist viel zu wenig.
Die oben genannte Tiefe der Auseinandersetzung werden heute nur wenige aufgreifen, aber allein dies würde nach meiner Perspektive schon ausreichen, wenn sie in Schlüsselfunktionen innerhalb des Unternehmens positioniert sind.
Viele werden jetzt sagen: „Aber ganz ehrlich, gerade die gehen ja nun nicht los!“
Dies mag sicherlich sein, aber ich bin zuversichtlich, da der Druck auch schon durch die nachfolgenden Generationen deutlich größer wird.
Nicht selten erlebe ich aber auch, dass Menschen, die jetzt nicht ganz unmittelbar auf der Schlüsselposition sitzen, doch sehr viel bewegen können, weil sie über einen starken Glauben der Andersartigkeit und einer neuen Arbeitskultur verfügen.
2. Dies sind dann die Menschen, die allein schon aufgrund ihrer Haltung Erfahrungsräume für viele Menschen im Unternehmen schaffen werden.
Sie erkennen den Kern, sie sind an einem Wandel interessiert, der uns wachsen und reifen lässt.
Sie pointieren ihre Aktivitäten und damit auch die Schaffung von neuen Strukturen auf die vorliegenden Umstände und Bedürfnisse. Sie sind die Leader der neuen Zeit.
#ichkultur
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