Eine Vielzahl an Projekten kippt in das Unternehmen, immer mehr Mitarbeiter sind in immer mehr Projekten. Die meisten wissen schon gar nicht mehr, in welchem Projekt sie gerade sind, welche Rolle und mit welchem Beitrag sie dabei sind und die Dynamik und Qualität der Initiativen und Projekte sinkt.

Eigentlich spüren es alle, mittlerweile denken es auch alle, aber keiner sagt etwas. Schon gar nicht, wenn die Projekte von oberster Stelle „erlassen“ wurden oder man von „oberster“ Stelle in das Projekt berufen wurde. Alle tun so, also ob alles in Ordnung wäre, dabei riecht man es schon von Weitem, dass einiges im Argen liegt und vieles nicht mehr stimmt.

OFFENHEIT & EHRLICHKEIT

Mal abgesehen von der nicht sicherzustellenden Multitaskingfähigkeit einzelner Personen und Teams, traut sich keiner oder nur sehr, sehr wenige einen offenen Diskurs anzuschieben. Warum eigentlich nicht?
Weil der vielleicht angestoßene Diskurs nicht mit Offenheit, Klarheit und Ehrlichkeit geführt werden kann, sondern schnell zum politischen Minenfeld von unternehmerischer Macht, Priorität und Dringlichkeit wird. Dabei wird mit der Einflussgröße einzelner Menschen und Abteilungen agiert. Gehen Diskurse, welche eigentlich für den Erfolg existenziell sind in diese Richtung, dann fehlt es an Vertrauen.

Es fehlt leider viel zu oft an diesem Gefühl sich hier und jetzt ganz frei, leicht und offen äußern zu können, aber auch an dem Gefühl von der Ehrlichkeit der beteiligten Personen überzeugt zu sein. Und wenn durch diese Tür (die Tür des Vertrauens) nicht gegangen werden kann, dann suchen sich Menschen andere Türen und in diesem Fall hat die Tür die Aufschrift
„künstliche Harmonie“. Künstliche Harmonie, das weit verbreitete Phänomen in leider zu vielen Unternehmen, in denen
unausgesprochene Themen und Problemen, Emotionen und Kränkungen negiert oder runtergeschluckt werden. Oder noch viel schlimmer, die eigentliche wirklich erlebte Erkenntnis eher Thema an der Kaffeemaschine, beim Mittagessen, beim direkten Gespräch zwischen Kollegen, im Flurfunk – also überall ist, nur dort nicht, wo es eigentlich hingehört.

AUF ALLEN EBENEN FEHLENDES WACHSTUM

Was geht dadurch verloren?

Unternehmerisch, in jedem Fall der Spirit und die produktive Energie eines Unternehmens, da die Aufmerksamkeit nicht auf Schöpfung, Kreativität und Ausprobieren fokussiert ist, sondern auf Sicherstellung, Unauffälligkeit und Vermeidung.

Gemeinschaftlich wird die kulturelle Weiterentwicklung gestoppt, da sich diese nur entwickeln kann, wenn wir bereit sind einen mutigen konstruktiven Diskurs über unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven zu führen.

Persönlich, das individuelle Wachstum, weil wir von vornherein uns Denkweisen anpassen und uns selbst Grenzen setzen.

DIE FEHLER IM SYSTEM

Auch hier gibt es wieder nicht nur einen Grund, warum eine offene und konstruktive Auseinandersetzung nicht gelingt. Nachfolgend möchte ich gern drei Perspektiven nennen. Vielfach erlebe ich, dass im jeweiligen Umfeld ganz einfach nicht der Mut aufgebracht wird die Dinge beim Namen zu nennen. Das liegt am Umfeld, am Gefühl in der jeweiligen Konstellation und
an der Erfahrung aus unseren Erlebnissen in der Organisation, wie mit solchen Situationen umgegangen wird. In dem Zusammenhang will ich anmerken, dass Mitarbeiter in einem Unternehmen nur in Bezug zu einem System handeln können, wenn das unternehmerische System allerdings solch ein Aufstehen oder Anzeigen nicht zu lässt, es nicht erwünscht ist, dann
wird sich das Aufstehen auch nicht zeigen. Hier liegt ein Systemfehler vor, der meist aus der bisherigen kulturellen Prägung rührt.

Es liegt aber auch oft an der nicht ausgebildeten wertschätzenden Gesprächsführung und präventiven Denkweise. Beobachtbar ist, dass das Problem nicht bei der Ampelfarbe gelb angesprochen wird, sondern erst bei rot manchmal sogar erst bei dunkelrot. Dann, wenn unsere inneren Gefühlssensoren schon vibrieren, wenn wir eigentlich nur noch Dampf ablassen können.
Vorher hätten viele gesagt: Lass mal, es läuft doch! Obwohl es schon lange nicht mehr läuft. Es liegt an einer nicht ausreichend ausgeprägten präventiven Handlungsweise und einladenden diplomatischen Gesprächsführung.

Manchmal erlebe ich aber auch, dass die kritischen und gefühlt gefährlichen Diskussionen einfach ausgelassen werden, da das Team eher vorschnelle Konsenslösungen anstrebt. Lieber stimmen alle zu oder schweigen, als offen die Meinung zu sagen. Dies rührt oft daher, dass uns von klein auf beigebracht wurde, dass Streit etwas Negatives ist. Das „Streitet euch nicht“ unserer Eltern ist so tief eingebrannt, dass viele von uns Konflikte meiden, wie der Teufel das Weihwasser. Es liegt an unseren kindlichen Prägungen.

DIE ERSTEN SCHRITTE

Wo aber anfangen? Die bloße Verordnung von mehr Transparenz, offener Feedback- und Fehlerkultur hilft dabei wenig. Wir müssen spüren, welche Themen wir wirklich gemeinsam und auf allen Ebenen und Teams anfassen, bearbeiten und gegebenenfalls auch wieder erlernen müssen. Ich empfehle in den kleinsten Einheiten anzufangen. Da wo wir in einem überschaubaren Rahmen durch einen mutigen und vielleicht sogar zum Anfang moderierten Prozess, das Vertrauen in
unserer kleinen Gruppe sukzessive erhöhen können.

Wo es vielleicht aufgrund des jahrelangen Miteinanders, schneller gelingen kann eine Offenheit und Ehrlichkeit zu erzeugen. Bevor wir uns hierarchisch oder politisch heiklen Auseinandersetzungen stellen müssen. Wir brauchen erst einmal wieder möglichst im kleinen Rahmen positive Erfahrungen, dass eine konstruktive Auseinandersetzung viel Wertvolles bewirkt. Dies wird dem Einzelnen Kraft geben, dann auch auf anderen Plattformen offener und ehrlicher sich und anderen gegenüber zu sein.

 

EINE EHRLICHE BETRACHTUNG DES EMOTIONALEN MITEINANDERS

Retrospektiven stellen für mich immer noch ein sehr wirksames Instrument dar. Statt eine Retrospektive über den Prozess eines Projektes aufzugreifen oder das große Thema Zusammenarbeit auf die Retro Tagesordnung zu rufen, wo eh alle nur sagen „läuft doch“, brecht das Thema ganz klein herunter und greift eine Retrospektive zum Beispiel über euer Vertrauen im Team auf. Fragt Euch, was heißt für uns ehrliches Vertrauen im Team und wie kann dies bei uns im Team spürbar wirksam werden. Was heißt für uns eine offene Konfliktbereitschaft? Wo liegen bei uns die Ängste, das Unbehagen im Konflikt? Wie kann es gelingen, dass wir präventiver werden?

Geht ihr so klein wie möglich, aber dennoch so tief wie nötig an dieses Thema ran, kommt ihr mit der Zeit wirklich an den Kern. Dabei ist es wichtig nicht vorschnell aufzugeben, sondern immer wieder ein Stückchen weiterzugehen.
Und wir müssen aufhören zu glauben, dass alles immer gleich Streit oder Kritik ist. Manchmal ist es einfach nur ein Hinweis, eine Möglichkeit oder eine andere Perspektive. Wir müssen auch in diesem Thema lernen – loszulassen.

Fangen wir an, uns schneller, offener und ehrlicher mit unseren im Unternehmen vorhandenen Emotionen und existentiellen Werten auseinanderzusetzen und ermöglichen wir uns dadurch ein kräftigendes inneres Wachstum.

 

#WIRKULTUR 

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