„Ich kann es nicht nachvollziehen! Da geben wir Ralf und Ina die Chance in einem Entwicklungs-Sprint mit dem neuen Markenprodukt mal so richtig durchzustarten und sie greifen nicht zu. Ganz im Gegenteil, eigentlich melden sie nur Bedenken an.“, berichtet mir Susanne L., Marketingleiterin aus einem mittelständischen Unternehmen aus Lübeck, bei ihrem letzten Besuch.
Immer wieder werde ich in meiner Arbeit und der Begleitung der Unternehmen damit konfrontiert, dass Mitarbeiter oder Kollegen die Erwartungen und Vorstellungen anderer nicht erfüllen. Warum gehen wir heute noch davon aus, warum glauben wir, dass andere genauso ticken, wie wir selbst? Und warum lassen wir Diversität, das Wort was allzu oft so gern in den Mund genommen wird, nicht einfach auch gegenüber unserem unternehmerischen Umfeld und im unternehmerischen
Agieren zu?

Natürlich wird Führung, Beziehungsgestaltung und gemeinsames Voranschreiten im Unternehmen dann noch komplexer und sicherlich auch anstrengender. Aber ganz ehrlich? Anstrengend ist es auch, wenn wir Diversität ignorieren.

KEINER WILL IN SCHUBLADEN GEPRESST WERDEN

Menschen verhalten sich nun mal immer weniger nach unseren Vorstellungen und Erwartungen, denn sie haben eigene Vorstellungen, eigene Meinungen, andere Perspektiven. Zukünftig wird es immer weniger Menschen geben, die bereit sind in eine Schublade von Erwartungen und Vorstellungen anderer gepresst zu werden. Gerade die jüngere Generation hat schon spürbar andere Vorstellungen von Arbeitskultur, Mitgestaltung und Einbeziehung. Und dies ist auch gut so, zumindest als Antwort auf eine komplexe Welt.
Wir brauchen Unterschiedlichkeiten und wir müssen eine hohe Bereitschaft aufbringen andere Vorstellungen, Vorgehensweisen und Sichtweisen zuzulassen, auch wenn sie gegebenenfalls so wenig unseren eigenen Vorstellungen entsprechen. Denn wenn dies gelingt, dann werden wir im Unternehmen breiter, weiter und aus psychologischer Sicht „weiser“ und reifer.

WAHRNEHMEN & UMGANG ERLERNEN

Die Komplexität ist nicht nur in unserem Marktumfeld zu beobachten. Wir haben sie durch die Menschen im Unternehmen direkt im Haus. Menschen sind nicht alle gleich und oft für uns in der Gesamtheit ihrer Prägungen und Individualitäten kaum zu erfassen. Unternehmerisch wäre dies auch fatal, da sich gegebenenfalls dadurch die Perspektiven, dann auf die wenigen machtbezogenen und durchsetzungsfähigen Erwartungen und Vorstellungen beschränken würden.

Schauen wir uns an, mit welchen unterschiedlichen psychologischen Dimensionen Menschen in unserem Unternehmen agieren. Gern möchte ich Dir nachfolgend vier Dimensionen vorstellen, um Deine Wahrnehmungskompetenz wach zu halten und Dich einladen, mehr Breite und Weite zuzulassen, weil Du es nicht verändern kannst. Du kannst nur lernen damit umzugehen.

Oft ist unsere Erwartungshaltung im Job an andere, dass sie bitte funktionieren sollen und möglichst so, wie meine Vorstellung ist. Den meisten Menschen ist nicht bewusst, wie groß der Einfluss genetischer, also angeborener Eigenschaften auf die Menschen und ihren Charakter sind. Wir haben die Möglichkeit unsere Persönlichkeit weiterzuentwickeln und dies möchte ich dick unterstreichen! Und trotzdem gibt es Merkmale, die uns prägen und die sich nicht einfach umkrempeln lassen.

MIT VORHANDENEN PRÄGUNGEN UMGEHEN

Ein Beispiel, das sicherlich viele kennen, ist die Introversion und Extraversion. Ein introvertierter Mensch wird sich nicht wohl fühlen, wenn er in einem lauten 5er-Büro arbeiten muss. Umgekehrt wird ein extravertierter Mensch eingehen, wenn er seine Arbeit im stillen Kämmerlein verrichten soll. Zwar kann jeder Mensch eine Vielzahl an unterschiedlichen Kompetenzen erwerben, die er als Führungskraft und Teamplayer benötigt. Und natürlich entwickelt er sich dadurch weiter. Aber man muss anerkennen,
dass seine grundlegende Veranlagung nicht verändert wird, sondern nur sein Spektrum.

Und ganz ehrlich, ich kenne nur sehr wenige Menschen, Mitarbeiter und Führungskräfte, die sich kontinuierlich ein Leben lang weiterentwickeln, reflektieren und lernen. Dadurch müssen wir im unternehmerischen Kontext erst einmal tatsächlich vorrangig mit den vorhandenen Prägungen der Menschen umgehen. Daher lohnt es sich gerade als Unternehmensgestalter und Führungskraft sich näher damit zu beschäftigen. Die nachfolgenden vier Dimensionen zeigen nicht die ganze Persönlichkeit eines Menschen, aber sie geben Auskunft über die Wesensmerkmale eines Menschen.

OHNE ODER MIT LANGEN DENKPAUSEN

Extra- und Introversion ist im hohen Maß angeboren. Keine Extravertierte wird im Leben eine Introvertierte – und umgekehrt. Das heißt aber nicht, dass Eigenschaften wie Kommunikationsfähigkeit oder Konzentration nicht erlernt werden können. Die
Introvertierten benötigen anders als die Extravertierten relativ wenig äußeren Input, sondern sie bekommen viel Anregung aus ihrem Innenleben. Sie reflektieren und sind mit ihrem inneren Verarbeitungsprozess beschäftigt. Ihre hohe Konzentrationsfähigkeit lässt sie ausdauernd über Lösungen brüten und zäh an einer Sache dranbleiben, bis der Erfolg
sich einstellt. Extravertierte sorgen für die Kommunikation im Team und nach außen. Sie vermitteln Energie und Begeisterung und reagieren rasch, ohne lange Denkpausen. Sie ergreifen bereitwillig die Initiative und motivieren sich und andere. Auf dem Weg zum Ziel zeigen sie hohe Flexibilität und können sich schnell auf neue Situationen einstellen und anpassen.

EINZELNE BÄUME ODER DER GANZE WALD

Die Dimension konkret oder abstrakt ordnet die persönliche Wahrnehmung und das Denken ein. Wir alle nehmen die Welt mit unseren fünf Sinnen wahr. Und doch sehen die einen insbesondere die einzelnen Bäume, während die anderen vor allem den Wald sehen. Erstere sind die Konkreten, die den besseren Blick für das Detail haben. Sie richten ihre Wahrnehmung vor allem auf die fassbare Welt, also auf die äußere Realität, auf Zahlen, Daten Fakten. Konkrete sind Pragmatiker, die im Hier und Jetzt leben können. Zum Lösen von Problemen setzen sie vorzugsweise auf Erfahrungen und Standardwege.

Die Abstrakten sollten im Unternehmen für die Entwicklung neuer Konzepte und Ideen zuständig sein. Da sie sich für Innovationen begeistern und gedanklich gern weit in die Zukunft denken, entwerfen sie mit Leichtigkeit Strategien und kreative Lösungswege. Abstrakte können mit einem Blick komplexe Zusammenhänge und zugrundeliegende Muster erkennen, ebenso wohin sich das Unternehmen entwickeln könnte.

KOPF ODER BAUCH – WAS LEITET DICH?

Diese Dimensionen zeigen uns den Unterschied zwischen den Menschen im Unternehmen auf und wie sie Entscheidungen treffen. Fühlentscheider lassen sich von ihren Gefühlen leiten, Denkentscheider analysieren gründlich und legen die Vernunft zugrunde.
Denkentscheider können selbst bei starkem Gegenwind stehen bleiben und ganz nüchtern das Für und Wider abwägen. Ihre Stärke liegt darin, die Dinge mit Abstand zu betrachten, also aus der Beobachtungsperspektive. Dadurch können sich oft Lösungsmöglichkeiten auftun, die man aus der Nähe und in emotionaler Involviertheit leicht übersehen hätte.
Dem Fühlentscheider ist ein harmonisches Miteinander ein großes Bedürfnis. Deshalb sind sie hilfsbereit, verweisen gern auf das Positive. Sie haben auch feine Antennen für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen, deren Meinung ihnen sehr wichtig ist. 

DEIN SCHREIBTISCH VERRÄT ES

Schaut man auf dem Schreibtisch des einen oder anderen, so lässt sich oft schon erleben, wo es sich um einen Organisierten oder einem Lockeren handelt. Organisierte lieben das Gefühl, alles im Griff zu haben, denn sie sehnen sich nach Sicherheit und Kontrolle. Dafür haben sie Erledigungslisten erfunden und nutzen sie mit Leidenschaft. Sind die Organisierten eher ergebnisorientiert und haben das Ziel im Auge, so sind die Lockeren eher prozessorientiert, also am Weg zum Ziel interessiert. Von Natur aus offen und neugierig legen sich die Lockeren nicht gern fest. Solange noch eine Option offen ist. Im
Spontanmodus blühen die Lockeren auf.

Alleine bei dem Ansatz dieser vier psychologischen Dimensionen könnten sich im Unternehmen mehr als fünfzehn unterschiedliche Menschentypen ergeben und ganz ehrlich wahrscheinlich gibt es noch viel mehr. Fünfzehn unterschiedliche Menschentypen mit denen Du vorwärtsgehen willst, mit denen Du die Zukunft erobern willst und mit denen Ihr gemeinsam erfolgreich werden wollt. Dies heißt zulassen, enorm viel wahrnehmen und bestmöglichst orchestrieren. 

ICH BIN EINE VON 16

Alleine ich bei meinem Muster EADL (extravertiert, abstrakt, Denkentscheider und locker) muss 15 weitere Muster gegenüber mir gelten lassen. Ich kann mit 4 weiteren Menschentypen wundervoll umgehen und wir verstehen uns blind. Mit weiteren 6 Menschentypen komme ich gut klar und vier Menschentypen stellen eine wirkliche Herausforderung für mich da. Da sie so gänzlich auf den jeweils anderen Seiten ticken, wo ich geprägt zu Hause bin. Und trotzdem sind sie da, gehören dazu und haben ihre wichtige Berechtigung im Interesse des Ganzen und der Komplexität. Ganz ehrlich, auch ich bin für mindestens 4 Menschentypen und vielleicht sogar für mehr, eine echte Herausforderung. Wenn mir dies bewusst ist, dann kann ich doch eigentlich innerlich nur noch loslassen und mit einem Lächeln und einer Großzügigkeit mir und anderen begegnen.
(angelehnt an: carl gustav Jung, isabel Myers, katharine Briggs, stefanie Stahl und Melanie Alt)

MUSTER IN DEINEM EIGENEN UNTERNEHMERISCHEN SYSTEM

Wenn es Dir gelingt Deine Wahrnehmung dieser Unterschiedlichkeit zu erweitern, Du anerkennst, dass dies nun mal vorliegt und Du dies nicht ändern kannst, dann bist Du ein großes Stück in Deinem eigenen unternehmerischen Agieren weiter.
Das was für jene möglich wird durch ein Erkennen und Anerkennen, mit diesen Dimensionen umzugehen, sie verstehen zu lernen und damit ein Stück die Kompetenz zu erwerben, wie Du so viel Unterschiedlichkeit und Komplexität bestmöglichst orchestrieren kannst oder zumindest einen Rahmen setzen kannst, damit diese Dimensionen sich bestmöglich auch im Interesse des Unternehmens entfalten, einbringen und weiterentwickeln können.

Dies ist eine völlig andere Sicht- und Denkweise. Auch hier agierst Du eher aus der Metasicht mit der Wahrnehmung zum Detail. Du bist interessiert die Unterschiedlichkeit im Detail zu beobachten, mögliche Muster zu erkennen und wahrzunehmen, wie es
Systeme und Dein eigenes unternehmerisches System beeinflusst.

#WIRKULTUR
 

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